IT Onlinekonferenz: Non-Greenfield sorgfältig abwägen

Die Wahl der passenden Migrationsstrategie für SAP S/4HANA – das war Thema auf der IT-Onlinekonferenz Ende Januar 2022 mit Thomas Pasquale, dem geschäftsführenden Gesellschafter und Gründer der GAMBIT.

Welche Folgen hat die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Migrationsweg für SAP S/4HANA? Welche Kriterien sollten Unternehmen – neben der oft gestellten Frage nach den Kosten – bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen? Und was spricht in vielen Fällen doch für den Greenfield-Ansatz?

In einem Gespräch mit Helge Sanden (Chefredakteur des IT-Onlinemagazins) ließ Thomas Pasquale die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Konferenz an seinen Überlegungen und Erfahrungen teilhaben. Das Thema seines Beitrags: „Warum eine Non-Greenfield-Migration gut überlegt sein sollte“. Über 300 Anmeldungen für den Beitrag belegten das hohe Interesse der Unternehmen in dieser Frage.

Wie Thomas Pasquale erläuterte, ist die Wahl der passenden Transformationsstrategie bei der Zusammenarbeit mit GAMBIT in keinem Fall festgeschrieben, sondern immer von den individuellen Anforderungen, Voraussetzungen und Zielen eines Unternehmens abhängig. Zugleich sei sie aber eine zentrale strategische Weichenstellung für die Zukunftsfähigkeit und den vollen Abruf des Potenzials von SAP S/4HANA – und damit auch mitentscheidend für den künftigen Erfolg von Unternehmen.

Ein Katalog voller Kriterien

„Wir gehen zunächst immer ganz neutral in einen Prozess der Entscheidungsfindung“, sagte der Gründer der GAMBIT. „Zu Beginn stellen wir den Verantwortlichen aber stets die Frage, was sie mit einem solchen Projekt eigentlich erreichen wollen. Wenn man dann in den Unternehmen anfängt, nicht immer nur allein auf das Geld zu schauen, sondern strategische Zielsetzungen mit einzubeziehen, dann eröffnen sich in vielen Fällen plötzlich neue Perspektiven.“

Im Prozess der Entscheidungsfindung spielten eine ganze Reihe von Kriterien eine wichtige Rolle, die viele Unternehmen nicht immer direkt im Blick hätten, aber berücksichtigen sollten, so Thomas Pasquale. Beispielhaft nannte er auf der IT Onlinekonferenz die Kriterien strategische Zielerreichung, Strategie der SAP und die demografische Entwicklung.

Die entscheidende Frage nach den Zielen

Bei der Frage der strategischen Zielerreichung gehe es zuvorderst darum, die Ziele des Top-Managements aufzunehmen, sie auszuwerten, zu verdichten und dann zu bewerten. Oft ergebe sich schon aus dieser gründlichen Analyse und Abgleichung der Wege gegen die operativen und strategischen Ziele des Unternehmens eine klare Tendenz, weil die meisten Ziele in Gänze nur mit Greenfield erreicht werden könnten.

Seien die Unternehmen hingegen zufrieden mit dem Status quo oder verfügten sie bereits über ein gut gemachtes, neueres und bereits hoch integriertes ECC-System, dann wäre hingegen auch Brownfield denkbar.

Ein weiteres, sehr wichtiges Kriterium ist die Strategie der SAP. „Unternehmen müssen sich fragen, ob sie sich mit ihrem Umstiegsszenario diametral zum Produktportfolio und der Strategie der SAP aufstellen oder nicht“, sagte Thomas Pasquale. Die starke Fokussierung der SAP auf die Cloud, die Best Practices und die Erweiterungen über Apps bedinge eine „Plug-and-Play-Architektur“, die aber nur mit Greenfield erreichbar sei.

Experten verlassen das Unternehmen altersbedingt

Auch die Demografie und die damit verbundenen Risiken durch den Verlust von mit SAP ECC vertrauten Mitarbeitenden sollten Unternehmen bei ihrer Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Migrationsweg einbeziehen.

Wird der Umstieg zum Beispiel nach dem Brownfield-Ansatz vollzogen, dann seien die Risiken ungleich höher als bei Greenfield. Der Grund sei, dass es sich bei der System Conversion nur um eine technische Migration handele und die Architektur damit auch nach dem Umstieg damit weitgehend identisch bliebe – die internen Experten für diese Systeme jedoch nicht mehr dauerhaft zur Verfügung stünden, weil sie das Unternehmen in naher Zukunft aus Altersgründen verließen.

Hinzu komme, dass Unternehmen sich fragen müssten, wie sie dauerhaft attraktiv für neue Arbeitskräfte sein könnten – auch dies ist nach Ansicht von Thomas Pasquale ein oft unterschätztes Kriterium. Ob die Neugewinnung von Mitarbeitenden für ein Unternehmen gelänge, das auf ein traditionelles und früher oder später veraltetes ERP-System setze, sei jedenfalls zweifelhaft – und doch sei dies genau das Umfeld, in dem sich das Unternehmen nach einer technischen Migration befände.

Nicht zuletzt spielten natürlich auch die Kosten eine zentrale Rolle. Allerdings sei es sinnvoll, nicht nur die Höhe der Investition, sondern auch den Benefit der jeweiligen Architektur und die Amortisationszeit in den Blick zu nehmen, so Thomas Pasquale.

„Die Investitionen sind beim Greenfield-Ansatz in der Regel deutlich höher als bei einem Brownfield-Ansatz“, sagte Thomas Pasquale. Die Amortisationszeit allerdings sei bei einer Neuimplementierung im Durchschnitt kleiner als drei Jahre, während es bei Brownfield gar keinen echten Gegenwert für die Investition gebe.

Gründlich prüfen, besser entscheiden

„Meine Empfehlung lautet daher, zunächst alle Argumente für oder gegen einen Ansatz auf den Tisch zu bringen. Unternehmen sollten dabei schauen, was für das Unternehmen tatsächlich relevant ist. Zudem rate ich dazu, die eigenen Anforderungen und Prozesse mit den Entwicklungen und Produkten der SAP abzugleichen – gerade auch mit Blick auf die Strategie der SAP mit dem SAP-S/4HANA-Kern“, so Thomas Pasquale.

„Letztlich müssen sich die Unternehmen dann die Frage zu stellen, ob sie bereits auf dem richtigen Weg sind oder ob sie noch eine gründliche Untersuchung im Vorfeld der Umstellung durchführen wollen, um dann mit den Ergebnissen eine faktenbasierte und profunde Entscheidung treffen zu können.“